Système D in der Gastronomie

Hinter dem D verbirgt sich der französische Ausdruck „se débrouiller“, der so viel bedeutet wie: „sich behelfen“, oder „zurechtkommen“. Gemeint ist in dem von mir gewählten Zusammenhang: „improvisieren“.

Ins Deutsche könnte man den Ausdruck „Système D“ am ehesten mit „Trick 17“ übersetzen. Das Système D wird in der Gastronomie vor allem in der Küche angewandt. Denn neben der Kreativität, die beim Planen, Entwickeln und Zubereiten von Speisen von einem guten Koch abverlangt wird, spielt die Kreativität und Improvisationsgabe beim Lösen von Problemen eine große Rolle. Der Küchen Alltag funktioniert selten reibungslos und der zeitliche Druck, den ein Tagesgeschäft mit sich bringt ist sehr hoch. Ein Küchenbetrieb ist äußerst störungsanfällig, da er von vielen Faktoren abhängt, die schwer kalkulierbar sind. So muss die Ware rechtzeitig und in ausreichender Menge bestellt werden, es müssen genügend personelle Ressourcen zur Bewältigung der Vorbereitungsarbeiten und für das Hauptgeschäft eingeplant werden, der technische Zustand der Küche und der Hardware muss optimal gewartet sein und fehlerfrei funktionieren. Hinzu kommt noch die große Inkonstante Gast, die in ihrer Anzahl und im Verhalten trotz Reservierungen und Erfahrungswerten stark variieren kann. Generell kann man sagen: Je besser ein Küchenbetrieb organisiert ist, desto weniger kommt das Système D zum Einsatz. Doch vor ungeplanten Schicksalsschlägen ist niemand gefeit.

Hier ein Beispiel an Improvisationskunst, wie ich es in ähnlicher Form schon miterlebt habe:

Es ist Samstagabend, so gegen 21 Uhr, also quasi prime time, das Restaurant ist brechend voll. Service und Küche sind hoch motiviert, die Gäste vom Wein beseelt. Die Stimmung vor und hinter den Kulissen ist ausgelassen. Ein Selbstläufer-Tag so scheint es, an dem jedes Zahnrad der Maschinerie ruckel frei ineinander greift. „Eigentlich kann nichts mehr schief laufen“ ist das allgemeine Gefühl. Doch dann gehen von einer Sekunde auf die nächste das Licht und mit ihm alle elektrischen Geräte aus. Nach einem kurzen Schrecksmoment geht der Küchenchef in Gedanken seine Möglichkeiten durch. Erst mal abchecken, ob nur die Hauptsicherung rausgesprungen ist, oder ob es sich um einen Stromausfall handelt. Natürlich war es letzteres. Also weiter im Programm. Was funktioniert noch? Nichts – ist die ernüchternde Antwort, da sogar der Gasherd ein elektrisches Steuerelement hat. Erst einmal muss wieder Licht her. Der Service wird gebeten, Kerzenständer hineinzutragen und auf den Posten zu verteilen. Ein Koch fährt sein Auto ans Küchenfenster und schaltet die Beleuchtung an. Gasrechauds werden zum Wärmen von Gemüse und Beilagen zweckentfremdet. Aber da sie zu leistungsschwach sind, um eine der schweren Gusseisenpfannen auf Betriebstemperatur zu bringen, entscheidet sich der Saucier für eine brachialere Methode, sein Fleisch zu garen. Er bräunt es kurz von allen Seiten mit einem Bunsenbrenner, der normalerweise zum Abflämmen von Crème brûlée benutzt wird, und gart es in der Resthitze seines Ofens auf den Punkt. Ein Balanceakt, weil mit jedem Öffnen des Ofens und mit jeder Minute ohne Strom die Temperatur sinkt. Bestellungen werden nicht mehr über den Küchendrucker ausgegeben, sondern handschriftlich. Da diese Zettelchen im Dämmerlicht kaum lesbar sind, merkt sich der Küchenchef die Order einfach mal. Auch den Patissier hat es kalt erwischt, leider jedoch nicht kalt genug. Er war gerade dabei mit seiner Sorbetiere ein Eis herzustellen, als das Malheur passierte. Nun muss er sich eines Tricks aus dem Chemieunterricht bedienen, um statt einer kalten Soße doch noch ein Eis zu bekommen. Er gibt Eiswürfel von der Bar, eine Handvoll Salz und etwas kaltes Wasser in eine Metallschüssel, rührt um und stellt eine zweite Schüssel hinein, in die er seine halbgefrorene Eismasse füllt. Langsam rührt er sich einem zufriedenstellenden Ergebnis entgegen. Denn durch das Mischen des Salzes mit dem Eiswasser nutzt man endotherme Wärmeeffekte. Wenn die Energie, die zum Auflösen des Ionengitters des Salzes nötig ist grösser ist als die Hydratisierungsenergie, die beim Lösen frei wird, entzieht die Mischung der Umgebung die fehlende Energie , also Wärme. Zweistellige minus °C Temperaturen können mit dieser Methode erreicht werden. Zum Feierabend gab es für die Köche übrigens Flaschenbier, weil die Schankanlage auch elektrisch war.

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